skythische Kunst

skythische Kunst
skythische Kunst,
 
eine an Gebrauchsgeräte gebundene Zierkunst der Reiternomaden der eurasischen Steppe zwischen Donau und Südsibirien (einschließlich der Waldsteppe) im 1. Jahrtausend v. Chr., im engeren Sinn der seit Ende des 7. Jahrhunderts v. Chr. nördlich des Schwarzen Meeres (nördlich des Pontos) im weiten Umkreis um das Asowsche Meer sesshaft werdenden nordpontischen Skythen. Die skythische Kunst ist Teil der Steppenkunst; ihre Stilformen entwickelten sich aus Schnitzereien in Holz und Knochen; erhalten sind v. a. in Kurganen gefundene Guss- und Treibarbeiten aus Metall (Bronze, Silber, Elektrum und Gold), meist Beschlagstücke der Jagd- und Kriegsausrüstung und des Zaumzeugs, außerdem Stangenbekrönungen (Kult), Spiegel, Schmuck (z. B. Pektorale, Prunkhauben-, Prunkbekleidungsbesatz). Die skythische Kunst tradiert viele Elemente der Holzkammergräber- oder Balkengrabkultur (z. B. Gefäßformen) des 2. und der 1. Hälfte des 1. Jahrtausends v. Chr. Ihre höchste Entfaltung erlebte sie um 600-300 v. Chr. Die Wurzeln des skythischen Tierstils sind nicht geklärt, insbesondere nicht die Beziehung zwischen nordiranischen und skythischen oder maiotischen Stücken, da sie den Befunden nach gleichzeitig an der Wende des 7./6. Jahrhunderts auftraten. Eindeutig bestimmend wurden im 6. Jahrhundert v. Chr. griechische Künstler; sie schufen viele der in Südrussland gefundenen Kunstwerke für den Export. Sie beherrschten die Techniken der Metallbearbeitung in vollendeter Weise und steuerten zum Teil Motive, z. B. den adlerköpfigen Greif, und Ornamente bei. Dargestellt sind meist einzelne Tiere, oft jagdbares Wild, auch jagendes Wild (in Tierkampfszenen), besonders Hirsche, Steinböcke, Widder, katzenartige Raubtiere, Elche und Raubvögel, die zum Teil auch mythologische Bedeutung hatten. Naturnähe und extreme Stilisierung sind die die Gestaltung bestimmenden Pole. Beispielhaft sind die wohl auf dem Brustpanzer getragenen liegenden Hirsche (vielleicht als Hirsch im Sprung aufzufassende Stilisierung), Treibarbeiten aus Gold, in denen das Naturvorbild durch scharfkantige Hervorhebung der Körperstruktur in Einzelteile zerlegt wird. Später (5.-3. Jahrhundert) wurden die Formen in die Länge gezogen und gedehnt. Die Beschläge der Schwertscheiden zeigen oft Tierfriese im Relief und Einzeltiere. Zu den Besonderheiten dieses Tierstils gehören ein gelegentliches Verdrehen des Tierkörpers zu einer Spirale, ein Aneinanderfügen verschiedener Tiere und Tierglieder (z. B. Adlerköpfe an den Sprossen von Hirschgeweihen) und schließlich das Ausfüllen des Tierleibs mit Ornamenten oder mit Bildern anderer Tiere. Die seltenen menschlichen Darstellungen oder Götterfiguren in menschlicher Gestalt (z. B. eine schlangenfüßige Göttin) traten wohl erst im 4. Jahrhundert v. Chr. auf und werden v. a. griechischen Meistern des Bosporanischen Reiches zugeschrieben. Es gibt Schilderungen aus dem skythischen Alltag, z. B. Bogenschützen, sich gegenseitig verbindende oder aus einem Krug (Blutsbrüderschaft) trinkende Skythen oder Thraker. Die skythische Kunst vermittelte starke Impulse an benachbarte Stämme und Kulturen, z. B. nach Nordosten an die Anaminokultur, im Kubangebiet an die Maioten, die möglicherweise auch am Beginn der skythischen Kunst standen, in der gebirgigen Krim an die Taurer, nach Südwesten an die Thraker und weiter nach Westen an die La-Tène-Kultur. Die skythische Kunst wurde abgelöst von der sarmatischen Kunst.
 
 
G. Charrière: Die Kunst der Skythen. Von Sibirien bis zum Schwarzen Meer (a. d. Frz., 1974);
 R. Rolle: Die Welt der Skythen (Luzern 1980);
 
Gold der Skythen, bearb. v. K.-J. Sembach u. a., Ausst.-Kat. (1984);
 
Gold der Steppe, Archäologie der Ukraine, hg. v. R. Rolle, Ausst.-Kat. (1991);
 V. Schiltz: Die Skythen u. a. Steppenvölker (a. d. Frz., 1994);
 
Das Gold der Skythen. Aus der archäolog. Schatzkammer der Eremitage St. Petersburg, hg. v. L. Barkova u. a., Ausst.-Kat. Ausst.-Halle der Bundesrep. Dtl., Bonn (a. d. Russ., 1997).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Skythen und Maioten: Der eurasische Tierstil
 

Universal-Lexikon. 2012.

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